Vorweg sei erwähnt, dass in jeder Prägungsphase neurochemische, genetische und entwicklungsbiologische Mechanismen verknüpft werden.
Unter Prägung versteht man einen Lernvorgang, der in der sogenannten sensiblen Phase der Entwicklung eines Jungtiers erleichtert stattfindet. Es ist, nach neueren Forschungsergebnissen durchaus möglich, Prägungsphasen zu verschieben, zumal, wenn die dafür vorgesehene Phase zu wenig oder keine prägenden Einflüsse ermöglichte. Dann kann auch noch einige Zeit später der leere Informationsspeicher aufgefüllt werden. Jedoch ist irgendwann das Fenster definitiv geschlossen, was mit den Entwicklungsprozessen im Gehirn zu tun hat.
Eine wichtige Eigenschaft eines Prägungsvorgangs ist, dass die dann gemachten Erfahrungen gegen Vergessen, Auslöschung und Überlagerung sehr stabil sind. Was in der Prägungsphase einmal erfolgreich abgespeichert wurde, ist oft ein Leben lang abrufbar. Quasi das Fixierbar für die Prägung ist die zweite Prägephase, zwischen dem 6. und 8. Lebensmonat, in der das bereits Geprägte nochmal bestätigt werden muss, um dann später als stabil zugreifbares Wissen, verfügbar zu sein. Offenbar gibt es im Gehirn bereits eine Art Schablone, die ein Muster darstellt, was bevorzugt erlernt werden soll.
Zeitfenster zwischen der 3. bis 11. Lebenswoche
Dies ist eine optimale Zeit den Welpen an den Menschen zu gewöhnen und Vertrauen aufzubauen. Die Verhaltens-
strategien die in dieser Phase erlernt werden, definieren die spätere Beziehung zum Menschen und der Umwelt.
Aber auch auf andere Tiere wie z.B. Katzen können Hundewelpen in dieser Phase geprägt werden. Die Fähigkeit
zur Mehrfachsozialisation oder artübergreifenden Sozialisation macht dies möglich. Der Hund besitzt die Fähigkeit, gleichzeitig eine Bindung zu zwei oder mehreren Spezies aufzubauen ohne seine eigene hündische Identität dabei einzubüßen. Eine derartige Kapazität ist im Tierreich extrem außergewöhnlich.
Beim Hund lassen sich 4 Gruppen/Funktionen von Prägung feststellen:
1. Die Artgenossenprägung
findet zwischen der 5. bis 14. Lebenswoche statt und legt weitestgehend fest, mit wem der Hund später einmal sozialen Umgang haben möchte. Daher sollten verantwortungsvolle Züchter dem Welpen in dieser Zeit viele verschiedenen Sozialkontakte zu Mensch und Tier (Katzen, Pferden...) ermöglichen.
2. Die sexuelle Prägung
die zu Beginn der Pubertät stattfindet, legt fest, wer später als Sexualpartner in Frage kommt. Da viele Hunde in der späten Junghundephase weniger Kontakt zu Artgenossen haben, können Fehlprägungen auf den Menschen (als anwesender Sozialpartner) passieren. Somit könnte dies eine Erklärung dafür sein, dass viele Hunde sich dem Menschen in sexueller Absicht mit Kopulationsbewegungen nähern.
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3. Die Nahrungsprägung
Sie nimmt ihren Anfang bereits im Mutterleib durch das Nahrungsangebot für die Mutterhündin. Offensichtlich ist die Nahrungsbevorzugung der Welpen also vorgeburtlich, was bedeutet, dass bereits der schwangeren Hündin ein möglichst diversifiziertes Futter gegeben werden sollte.
Erneut abgefragt werden diese Informationen ebenso zu Beginn der Pubertät um dann als Futtertradition des eigenen Familienverbandes übernommen zu werden.
4. Die Umwelt- und Lebensraumprägung
legt fest, in welchem Gebiet sich später der Hund aufhalten möchte. Dabei wirken viele Sinnesorgane zusammen und speichern Gerüche, Geräusche, Untergründe, Umweltstrukturen, Temperaturen und
diverse andere Außenreize. Daher sollten die Prägereize mit Bedacht ausgewählt werden. Ein Bällebad erscheint nicht als sinnvolle Alternative für den Lebensraum Wald.
Im Zeitraum zwischen 8. und 14. Woche sind Ortsbindungen für den Welpen das wichtigste Element der Wiedererkennung und Sicherheit. Menschen sind zwar attraktiv, aber noch nicht im Sinne eines Bindungsverhaltens emotional interessant.
Erst ab der 14. bis 16. Lebenswoche beginnt die Fähigkeit des Hundes, Menschen als Individuen zu unterscheiden und sich an Beziehungspartner zu binden.
Prägung und Bindungsaufbau
Durch eine Verwechslung der beiden Prozesse Prägung und Bindungsaufbau, entstand offenbar die häufig vertretene Meinung, Welpen müssten möglichst früh, ab der 7. Woche dem neuen Besitzer übergeben werden.Es sei hier erwähnt, dass es sich eindeutig um eine Fehlinterpretation veralteter Daten handelt.
Neuere Wissenschaftliche Ergebnisse (z.B. von Miklosi 2007) zeigen eindeutig den Vorteil eines längeren Zusammenlebens mit der Mutter, dem Rudel und den
Wurfgeschwistern.
Gerade in dieser Zeit lernt der Welpe ohne Mühe durch Beobachtung der Mutter, der älteren Rudelmitglieder und dem Spiel mit den Wurfgeschwistern.
Negative Effekte auf das Wohlbefinden, Verhaltensstörungen verschiedenster Art, gesundheitliche Schwierigkeiten und evtl. eine verkürzte Lebenserwartung könnten auf diese Praxis zurückzuführen sein.
Es ist daher wichtig, die Sozialisation des Welpen in der primären Umgebung der Mutter und des Züchters zu optimieren, also bis zum Ende der 10. bis 12. Woche. Befürchtungen, dass dadurch eine mangelnde Bindungsbereitschaft an die neue Familie entsteht, sind vor Vollendung der 13. bis 16. Woche völlig unbegründet.
Menschen und Hunde sind nicht zu 100% kompatibel
Beide leben am effektivsten zusammen, wenn sie gemeinsam Herausforderungen meistern und in guten und in schlechten Zeiten zusammen stehen.
Gemeinsame Erlebnisse in Wald und Feld führen zu einer engen Bindung. Der Hund hat ein Bedürfnis nach Sicherheit, Routine, Beziehungskonstanz, Planbarkeit und Beisammensein mit seinen Menschen. Streicheln darf dabei nicht zu kurz kommen.
Hunde wissen es auch zu schätzen, wenn sie einfach mal in Ruhe gelassen werden. Aktionen sind prima, Herumgammeln und Dösen auch.
Sie wollen auch mal ohne zielführende Anweisungen des Menschen das tun dürfen, was Hunden eben so gefällt: Schnüffeln, Buddeln, selbstständig Erkunden und Kumpels treffen. Aber auch der Kontakt zu Artgenossen ist wichtig.